Der Hochtaunuskreis probt den Ernstfall
Stromausfälle sind in der Regel lästig: Die Uhr am Herd muss neu eingestellt werden, das Licht brennt nicht, der Fernseher bleibt schwarz. Doch nach wenigen Minuten ist die Sache vorbei, das Licht leuchtet wieder, der Fernseher flimmert, nur die Uhr am Herd blinkt und wartet darauf, neu gestellt zu werden. Doch was passiert, wenn der Strom für längere Zeit flächendeckend ausbleibt?
Die Folgen wären einschneidend, das Telefonnetz bricht wegen Überlastung zusammen, in Senioren- und Pflegeheimen können möglicherweise lebenswichtige technische Geräte nicht mehr arbeiten, pflegebedürftige Personen können in ihrer Wohnung nicht mehr versorgt und die Rettungsdienste nicht alarmiert werden. Straßen- und S-Bahnen fahren nicht mehr und selbst das Betanken von Autos ist nicht mehr möglich.
Seit 2010 wappnet sich der Hochtaunuskreis für ein solches so genanntes Blackout-Szenario. Am Freitag, 17. November, 18 Uhr, bis Samstag, 18. November, 18 Uhr, kommt es nun zu einer Blackout-Übung. Es ist die größte Übung, die in Hessen zu diesem Thema jemals stattgefunden hat. Daran beteiligt sind alle Feuerwehren im Hochtaunuskreis, Technisches Hilfswerk, Polizei, Hochtaunus-Klinken, niedergelassen Ärzte, Alten- und Pflegeheime, Bundeswehr, DRK, Malteser und die Verwaltungsstäbe der Hochtaunus-Kommunen.
„Die Versorgung mit Strom ist elementar, um die kritische Infrastruktur am Laufen zu halten“, verdeutlicht Landrat Ulrich Krebs. „Deshalb wurden in der Vergangenheit viele Pläne ausgearbeitet, wie bei einem langanhaltenden und flächendeckenden Stromausfall zu handeln ist. Nun wollen wir sehen, ob sich diese Pläne auch praktisch umsetzen lassen.“ Der Landrat bittet zudem darum, andere Personen, gerade auch ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die möglicherweise irritiert von der Vielzahl der Eisatzkräfte an diesen Tagen sind, auf die Übung hinzuweisen.
Natürlich wird für die Dauer der 24-Stunden-Übung nicht der Strom im Hochtaunuskreis abgestellt, auch die Rettungsdienste können im Bedarfsfall ganz normal über den Notruf 112 alarmiert werden. Dennoch werden auch die Bürgerinnen und Bürger das eine oder andere von der Übung mitbekommen. Und das ist auch ausdrücklich gewünscht. „Wir wollen für das Thema eines möglichen Blackouts sensibilisieren, so dass sie sich darauf vorbereiten können“, sagt Wolfgang Reuber, der für den Hochtaunuskreis die Übung ausgearbeitet hat. „Denn wenn dann ein Notfall tatsächlich eintritt, weiß man dann, wohin man sich wenden kann, um Hilfe herbeizurufen.
Konkret sind dies die Notfallinformationspunkte in den Feuerwehrhäusern, die es in jedem Stadt- und Ortsteil gibt und die mit einem rotweißen Leuchtturm-Schild gekennzeichnet sind. Alle 68 sind während der gesamten Übung besetzt. Die Feuerwehrleute stehen in dieser Zeit auch für Fragen aus der Bevölkerung zur Verfügung. In den Notfallinformationspunkten sind Satellitentelefone vorhanden, mit denen der Kontakt zur Leitstelle gehalten werden kann, auch wenn das Handynetz zusammengebrochen ist.
Aber natürlich richtet sich die Übung auch an die Einsatzkräfte. Über die 24 Stunden verteilt sollen fingierte Meldungen von den 68 Feuerwehrhäusern abgesetzt werden, die von der Leitstelle entgegengenommen und bearbeitet werden, bis hin zur Entsendung eines Krankenwagens. Die Bevölkerung wird über Warn-Apps (NINA, Katwarn, Hochtaunus-App) über die Übung informiert, in Steinbach und Neu-Anspach wird die mobile Warneinheit unterwegs sein und mit Lautsprecher-Durchsagen informieren.
An den Hochtaunus-Kliniken wird ein Auffangsystem geschaltet. Alle Personen, auch Patienten, die zum Krankenhaus kommen werden bereits vor der Klinik in Empfang genommen. Hier wird sondiert, wie mit dem Patienten weiter zu verfahren ist. Zum Krankenhaus kommen auch niedergelassene Ärzte, die hier behandeln können. Natürlich werden Personen, die dringend in einen Schockraum müssen, nicht diesem Procedere unterzogen.
Versorgung mit Kraftstoff
Wichtig ist, dass die Notstromaggregate mit Brennstoff versorgt werden, damit sie auch über einen längeren Zeitraum arbeiten können. Daher müssen die Aggregate regelmäßig betankt werden. Was einfach klingt, ist aber kompliziert, da zum Befüllen der Tankwagen Strom benötigt wird. Auch dies wird im Rahmen der Übung auf dem Munitionsgelände in Wehrheim simuliert. Anschließend werden die Tankwagen in den Hochtaunuskreis ausschwärmen.
Ein wichtiges Thema ist die Stromversorgung der Alten- und Pflegeheime, denn von den 28 Einrichtungen im Hochtaunuskreis verfügen nur die Hälfte über Netzersatzanlagen. Daher wird bei der Übung geprobt, wie zehn weitere Anlagen an Heime angedockt werden können. Dafür sind Einsatzgruppen des THW aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie Feuerwehreinheiten aus dem Main-Kinzig-, Rheingau-Taunus-Kreis und dem Odenwaldkreis im Einsatz. Aber auch hier können die Heimbewohnerinnen und Heimbewohne sowie alle Besucherinnen und Besucher beruhigt sein, wenn am Wochenende vor der Einrichtung Einsatzfahrzeuge halten: Sie sind Bestandteil der Übung.
Das THW ist auch noch an anderer Stelle im Einsatz. Da das Telefonnetz bei einem längeren Stromausfall ausfallen wird, verlegt das THW bei Wehrheim eine Feldkabelverbindung. Mit solchen Nottelefonverbindungen, die im Ernstfall an vielen Stellen im Hochtaunuskreis angelegt werden können, soll der Kontakt beispielsweise zwischen Krankenhaus und Leitstelle im Landratsamt sichergestellt werden.
Natürlich sind in einem solchen Krisenfall auch die Verwaltungsstäbe in den Rathäusern gefragt. Sie werden in allen Hochtaunus-Rathäusern zusammentreten. Der Verwaltungsstab Glashütten wird in diesem Zusammenhang einen fiktiven Alarmruf absetzen, dass in der Taunusgemeinde die Wasserversorgung zusammengebrochen ist. Daher werden am Übungswochenende eine Reihe von Tankwagen zur Feuerwehr Glashütten unterwegs sein und von dort die weitere Verteilung des Trinkwassers in den Ortsteilen simulieren. Aber auch hier gilt: die Tanklastwagen sind Bestandteil der Übung.
„Wir wollen mit der Übung Erfahrungen sammeln, wie wir unter erschwerten Kommunikationsbedingungen die kritische Infrastruktur aufrechterhalten werden können“, sagt Wolfgang Reuber. „Wir wollen beispielsweise wissen, wie lange es dauert von der Alarmierung in einem Notfallinformationspunkt bis zum Eintreffen eines Krankenwagens beim Patienten oder wie lange es dauert, bis ein Notfallaggregat betankt und die Einspeisung in eine Einrichtung sichergestellt ist.“
Das alles sind Fragen, die auch Experten von außerhalb des Hochtaunuskreises interessiert. Eine ganze Reihe von ihnen hat sich angemeldet, um die Übung zu beobachten. „Wir werden anschließend die Ergebnisse genau auswerten und schauen, was gut gelaufen ist und wo wir noch nachbessern können“, verspricht Reuber.